„Eine Diskrepanz, die für Patienten nur schwer zu verstehen ist“ 

– Im Gespräch mit Impfpilotin Dr. Katrin Fröba über die papierlose Praxis, die Arzt-Patienten-Beziehung in der Zukunft und was nach der Corona-Impfung bleibt

Im thüringischen Bad Lobenstein arbeitet Dr. Katrin Fröba. Die Hausärztin ist eine der ersten, die in der Impfkampagne auf Idana setzt und bei der Corona-Schutzimpfung auf digitale Prozesse umgestellt hat. Ihren Impfbetrieb organisiert sie mit Online-Terminvergabe und Telefonassistent, für Impfaufklärung und Einwilligung gemäß der offiziellen Schutzimpfungsrichtlinie nutzt sie die Corona-Inhalte von Idana.

Lesen Sie im ersten Teil unserer Interview-Serie „Im Gespräch mit Impfpilotin Dr. Fröba“, welche Erfahrungen die Ärztin in ihrer 30-jährigen Karriere mit digitaler Medizin gemacht hat, welche Chancen sie in der Digitalisierung für das Arzt-Patienten-Verhältnis sieht und was nach der Corona-Pandemie bleibt. 

 

Frau Dr. Fröba, wenn Sie sich noch einmal in Ihr frisch approbiertes Ich zurückversetzen: Was würde Sie an Ihrem heutigen Arbeitsalltag am meisten überraschen?

Mich würde wohl einerseits überraschen, wie viele Patienten man in der Einzelpraxis betreuen kann. Und auf der anderen Seite wäre ich schockiert über die Menge des Papiers, die ich in der Zeit verbraucht habe. Auch nach 30 Jahren Digitalisierung hatten wir immer noch mit Papierbergen zu kämpfen. Wenn wir über Bürokataloge bestellten, haben wir uns immer über die Werbegeschenke gefreut, das war nämlich oft Papier (lacht.)

Seit 31 Jahren sind Sie als Ärztin tätig, 14 Jahre davon arbeiten Sie in Ihrer eigenen Praxis. Wie hat sich der ärztliche Alltag für Sie verändert? 

In erster Linie haben sich die Rahmenbedingungen für den Arztberuf verändert und damit verbunden auch die Art und Weise, wie gearbeitet wird. Dazu möchte ich eine kleine Anekdote erzählen: Nach der Facharztausbildung im Krankenhaus wechselte ich in die ambulante Versorgung. Der Hausarzt, bei dem ich einen Teil meiner Weiterbildung absolviert habe, war damals, also schon 1993, auf einem guten Weg zur papierlosen Praxis.

Alle Befunde, die er in der Sprechstunde erhoben hat, hat er in ein MS-DOS aufgenommen. Das war damals noch so ein schwarz-weißer Bildschirm (lacht) und in erster Linie nur Ablaufsteuerungen für die Ziffern der verschiedenen Untersuchungen. Natürlich musste trotzdem noch viel Papier verwendet werden, es gab ja noch die Krankenscheine, außerdem waren alle Briefe und Laborbefunde in Papierform und die Arzthelferinnen mussten die Karteikarte führen. Ich erinnere mich noch gut an die Abrechnung: Das war ein Tag, den wir nur damit verbrachten, die vielen, vielen Papierkarten nach unterschiedlichen Kriterien zu sortieren, also ein unglaublicher Aufwand. Da dachte ich: “In meiner eigenen Praxis will ich das so nicht haben.”

Zum Glück hat die Digitalisierung in den letzten Jahren schon deutliche Fortschritte gemacht.

Stichwort Digitalisierung in der Medizin: Wenn man sich andere Branchen anschaut, hat man das Gefühl, die sind schon weiter. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Medizin in der Entwicklung ein bisschen hinterher zu hinken scheint?

Ursachenforschung obliegt mir natürlich nicht. Ein Grund könnte aber sein: Nicht immer sind gleich Lösungen da, die in der Praxis auch praktikabel sind. Ein weiterer Aspekt ist vielleicht auch die Dokumentationspflicht, die gerne auf Papier weitergeführt wurde. Denn daran hängt ja auch die Schweigepflicht und die juristische Verwertbarkeit.

Möglichkeiten zur papierlosen Dokumentation gibt es ja eigentlich schon lange, trotzdem wird immer wieder warnend davon gesprochen, dass in Haftpflichtprozessen nur das papiergebundene Wort gelte. Das ist ein gewichtiger Punkt, wo viele erst einmal vorsichtig werden und sich je nach Mentalität dann doch nicht an digitale Lösungen herantrauen.

Ein anderer Einwand, der häufig angeführt wird, ist die Sorge, dass die Arzt-Patienten-Beziehung leiden könnte, wenn Software eingesetzt wird. Haben Sie das Gefühl, hier verändert sich etwas?

Nein, ich glaube, das Arzt-Patienten-Verhältnis verändert sich dadurch nicht. Vielmehr verändert sich doch die ganze Welt. Die Patienten sind eher irritiert davon, wie uralt unsere Technologien noch sind. Es ist ja eigentlich unvorstellbar, dass wir noch ellenlange Arztbriefe aus Krankenhäusern bekommen und die erst einscannen müssen. Und dass wir weiterhin auf Fax-Kommunikation setzen, im Idealfall immerhin Computer-Fax, damit da nicht auch noch Papier anfällt. Aber es gibt keine Möglichkeit, mit den Patienten direkt über Kanäle wie WhatsApp oder Facetime zu kommunizieren.

Die Welt ist komplett daran vorbeigezogen und das ist eine Diskrepanz, die für Patienten schwer zu verstehen ist. Ich habe das Gefühl, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis eher durch den Mangel an Digitalisierung belastet ist.

Wir haben nun schon zurückgeschaut, lassen sie uns nun einen Blick in die Zukunft werfen. Wohin geht die Reise in Sachen digitale Arztpraxis?

Ich bin überzeugt, dass Fernbehandlung, Telemedizin im weitesten Sinne, noch mehr zum integralen Bestandteil der Medizin wird. Mit dem Telefon gab es ja schon immer Telemedizin, allerdings war das bislang eher eine Grauzone. Nun wird endlich akzeptiert, dass man nicht nur ein Arzt-Patienten-Gespräch führen kann, wenn man sich gegenübersitzt. Es gibt nämlich viele Situationen, in denen es für alle Beteiligten entspannter und zielführender ist, wenn man per Videotelefonie miteinander verbunden ist.

Präsenzstunden wird es weiterhin geben und geben müssen. Aber im vorangehenden Kontakt via Telefon oder Videosprechstunde kann ich entscheiden, welchen Patienten ich überhaupt in die Präsenzstunde holen muss, wo es wichtig ist, den Patienten körperlich zu untersuchen oder weitere Diagnostik wie Ultraschall, EKG, Lungenfunktion vorzunehmen.

Ich glaube,hier wird es eine gute Kombination aus digitalem und direktem Arzt-Patienten-Kontakt geben.

Die Pandemie hat viel bewegt und dazu beigetragen, dass es mit der Digitalisierung in der Medizin vorangeht. Was wird davon bleiben, wenn wir wieder zur normalen Situation zurückkehren?

Der Blick auf die Digitalisierung hat sich geändert. Viele haben die Scheu verloren und die Entscheidungsprozessen in den Gremien, sei es KBV, GBA, sind schneller in Richtung Digitalisierung gegangen. Ich glaube nicht, dass sich das Rad nochmal zurückdrehen lässt, weil die Patienten das auch einfordern.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Steckbrief Praxis Dr. Katrin Fröba

Die Ärztin: Frau Dr. med. Fröba ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und blickt zurück auf 31 Jahre Berufserfahrung, seit 2007 ist sie als niedergelassene Ärztin im thüringischen Bad Lobenstein tätig. Ihre Praxis ist Teil des Pilotprojekts der KV Thüringen für Impfungen in Hausarztpraxen.

Praxis und Praxisteam: Die Praxis Dr. Fröba ist eine typische Kleinstadt-Einzelpraxis, in der pro Quartal etwa 1500 PatientInnen behandelt werden. Unterstützt wird Frau Dr. Fröba von einem dreiköpfigen Praxisteam, zwei MFAs und eine nicht-ärztliche Praxisassistentin für die Hausbesuche.

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