„300 Impfungen in einer Woche – jetzt haben wir Routine“ – Im Gespräch mit Hausarzt Dr. Michael Scheer über den Impfstart in seiner Praxis, das Arbeiten mit Idana und ungewöhliche Kanäle in der Patientenkommunikation

In Paderborn arbeitet Hausarzt Dr. Michael Scheer alias DocScheer. Auch seine Praxis nimmt seit Ostern Corona-Schutzimpfungen vor, und das in rekordverdächtigen Ausmaßen. Wie sein sechsköpfiges Praxisteam es geschafft hat, in einer Woche rund 300 Impfdosen zu verimpfen, warum er dazu Idana nutzt und wie er es mit digitaler Unterstützung in seinem Arbeitsalltag hält, hat er uns im Interview verraten.

IMPFEN IN DER PRAXIS VON DR. SCHEER

Herr Dr. Scheer, wie sah der Impfstart für Sie aus?

In einer Nacht- und Nebelaktion, sprich über Ostern, hat mein Landkreis den Praxen 6000 Impfdosen zur Verfügung gestellt, 300 davon habe ich bekommen. Ich hatte mit 100 gerechnet und war schon ein bisschen erschrocken, dass es dann mehr als doppelt so viel geworden sind. Für die Praxisorganisation war das natürlich eine Herausforderung. Wir haben die Dosen priorisiert und entschieden, dass wir erst Kranke und besonders Gefährdete impfen. Pro Impftermin waren im Vorfeld etwa zwei Anrufe nötig, insgesamt mussten meine Mitarbeiterinnen also um die 500 bis 600 Anrufe machen. Zum Glück konnten die Aufklärungsbögen online mit Idana ausgefüllt werden.

Was waren Ihre Befürchtungen bezüglich der Impfung?

Wir hatten keine Befürchtungen in dem Sinne, aber in einer Woche 300 mal einen dreiseitigen Aufklärungsbögen zu stellen – das macht Arbeit. Irgendwie hätten wir es vielleicht auch ohne Idana geschafft, aber mit deutlich mehr Aufwand. Von vielen Kolleginnen und Kollegen, die ohne Lösungen wie Idana arbeiten, höre ich immer wieder, dass schon die reguläre Anzahl von 20 bis 30 Impfdosen einen hohen Zeitaufwand bedeutet.

Nach so vielen Impfungen haben Sie nun bestimmt Routine…

Routinemäßig gehen wir nun so vor: Der Idana-Bogen wird nach Terminvereinbarung online ausgefüllt, so dass beim Termin zu 95 % alle Fragen schon beantwortet sind. Der eigentliche Impfvorgang geht ja relativ schnell. Wenn man 50 Menschen zusätzlich pro Tag durch die Praxis schleusen muss, wird die Anmeldung zum Engpass. Da kommen mir aber die Räumlichkeiten zugute: Ich habe zwei Zugänge und wickle das im Einbahnstraßensystem ab. In der ganzen Woche mussten wir nur einen einzigen Termin absagen, weil wir doch noch ein bisschen mehr Zeit zum Impfen gebraucht haben.

Bei Ihnen läuft die Impfung also parallel zum normalen Praxisbetrieb?

Ja, für meine Terminsprechstunde habe ich 6 bis 8 Wochen Vorlaufzeit plus 2 Stunden Notfallsprechstunde. Da wäre es ein größerer Aufwand gewesen, alle Termine abzusagen. Ich habe auch das Glück, einen Weiterbildungsassistenten zu haben, der den Großteil der Impfungen übernehmen konnte, und auch die Mitarbeiterinnen haben mitgepiekst. Jetzt haben wir jedenfalls Routine und wissen: 250 Impfungen in der Woche sind für uns ohne Probleme machbar.

Sie sind vor allem über die Corona-Impfung zu Idana gekommen?

Das war schon länger in Planung. Es fügte sich allerdings sehr gut, dass der letzte Idana-Bogen am Dienstag nach Ostern online gestellt wurde, als auch unsere Impfaktion startete. Wir haben sofort gemerkt, welche Entlastung, das bringt, denn auf einen Schlag hatten wir 300 Impfbögen in der Akte. Idana hat uns quasi gerettet, ohne Online-Bögen hätten wir die Menge nur schwer innerhalb einer Woche verimpfen können.

Wie hat Ihr Praxisteam auf Idana reagiert?

Ein bisschen Skepsis war im Team natürlich schon da. Wir haben die Bögen selbst ausprobiert und waren überrascht, wie schnell das geht. Vor allem haben wir gesehen, dass wir damit alle Information, die wir für die Terminplanung brauchen, schon vorab in der Kartei haben.

Und Ihre Patienten?

Für die Patienten hat es den großen Vorteil, dass sie ihre Probleme und Beschwerden in aller Ruhe zu Hause notieren können. Beim Termin in der Praxis können wir uns dann auf das Wesentliche konzentrieren, ohne dass etwas vergessen wird. Es kommt ja immer mal wieder vor, dass ein Patient mit seitenweisen Notizen kommt – das geht jetzt sehr viel zielorientierter mit dem Online-Bogen.

DIGITALISIERUNG IN DER MEDIZIN

Onlineterminvergabe, Videosprechstunde, Idana – wann und warum haben Sie beschlossen, Ihren Arbeitsalltag digitaler zu gestalten?

2011 hatte ich Kontakt mit einem IT-Berater, mit dem ich überlegte, ob man nicht einiges auch per Video machen könnte. Die Ärztekammer hat das ganze Thema digitale Sprechstunde aber bekanntlich erst 2019 freigegeben – zum Glück noch kurz vor der Pandemie! Im Grunde hatte ich also schon länger die technischen Möglichkeiten, eine Videosprechstunde anzubieten, habe das aber erst letzten März aktiviert.

Sie haben sogar einen Instagram-Account…

Ja, das kommt durch die Jugend. Mein Sohn ist Linguist und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Kommunikation in der Medizin, da gerät man unter Zugzwang. Er kümmert sich um meinen Instagram-Account und die Homepage.

Sie sind seit 1998 als niedergelassener Hausarzt tätig. Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag seither verändert?

Als ich mit einem Kollegen zusammen die Praxis übernahm, gab es noch die Papierkartei. Wir haben dann gesagt: „Papierkartei ade, wir machen nur noch die digitale Patientenakte.“ Natürlich gab es dann noch einige Jahre die Papierkartei im Hintergrund, man kann ja nicht alles wegwerfen oder einscannen, aber seit zehn Jahren ist alles digital. Ich bin froh, dass wir das sofort so gemacht haben. Für die Patienten und für uns hat das eigentlich nur Vorteile.

Man hat den Eindruck, in der Medizin geht die Digitalisierung etwas langsamer voran?

Ja, das kann ich so bestätigen. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, wie Kolleginnen und Kollegen noch ohne Praxis-Website arbeiten. Viele denken ja, die Praxis laufe auch so und die Website sei ein reines Marketinginstrument. Für mich ist die Homepage aber eine wichtige Plattform, über die ich mit meinen Patienten kommunizieren kann. Wir haben zum Beispiel einen Newsletter, der jetzt deutlich an Abonnenten gewonnen hat. Die Patienten merken, dass es hilfreich ist, wenn Sie am Wochenende die Nachricht bekommen: „Ab Dienstag gibt es Impftermine“. Für viele war meine Art der Kommunikation aber überraschend. In vielen Praxen wird das ja noch nicht so gehandhabt und die Menschen denken erst: „Arzt und digitale Welt, das geht nicht zusammen“.

Haben Sie eine Vermutung, woran das liegen könnte?

Ich glaube, viele machen sich Sorgen um den Datenschutz. Und viele haben sicherlich auch Berührungsängste. Ich kann das verstehen, ich bin ja auch nicht mit dem Handy groß geworden. Aber ich sag es mal so: Wer vor fünfzig Jahren kein Telefon hatte, war irgendwann abgehängt. Und wer heutzutage nicht digital unterwegs ist, wird ebenfalls irgendwann abgehängt sein. Es ist auch ein Fehlurteil, dass ältere Menschen nicht digital seien. 80 bis 90 Prozent sind das oder haben jemanden in der Familie, der ihnen dabei hilft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Arztpraxen in wenigen Jahren ohne digitale Unterstützung überhaupt noch vernünftig arbeiten können.

Sie verstehen Medizin als ganzheitlich und integrativ. Wie geht das mit digitaler Unterstützung zusammen?

Natürlich, viele Behandlungsmethoden erfordern Handarbeit und Anfassen, aber die Videosprechstunde oder Idana können da sehr gut vorbereiten. Ich habe zum Beispiel schon länger einen Eingangs-Fragebogen, der jetzt auch für Idana noch einmal überarbeitet wird. Anhand der Informationen lege ich die Termindauer fest: Ich entscheide auf dieser Basis, ob dieser Mensch zehn, dreißig oder vielleicht sogar neunzig Minuten bekommt – oder ob ich ihm auch ohne Praxisbesuch weiterhelfen kann.

Verändern digitale Lösungen das Verhältnis zu Ihren Patienten?

Nein, überhaupt nicht. Natürlich kommen vielleicht eher Menschen, die auch in der digitalen Welt zu Hause sind. Oft höre ich: „Ich bin auf Sie gekommen, weil Sie so digital aufgestellt sind.“ Aber es darf natürlich auch jeder noch live in die Praxis kommen.

Und zum Abschluss: Wie verändert die Pandemie den Arztberuf?

Ich glaube, dass jetzt mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen verstehen und verstanden haben, dass sie digitale Unterstützung in der Praxis benötigen. Und ich hoffe sehr, dass das weiter ausgebaut und genutzt wird.  In Deutschland herrscht ja leider Hausärztemangel – über digitale Möglichkeiten könnten wir dieses Problem angehen. Meine Praxis ist auch Lehrpraxis und von den jungen Kolleginnen und Kollegen höre ich nur Begeisterung für die digitale Aufstellung meiner Praxis. So wollen Mediziner in Zukunft arbeiten.

 

Herr Dr. Scheer, vielen Dank für das Interview!

 

Steckbrief Dr. med. Michael Scheer

Der Arzt: Herr Dr. med. Michael Scheer ist Facharzt für Allgemeinmedizin und ist seit 1998 als niedergelassener Hausarzt in Paderborn tätig.

Die Praxis: Die Praxis Dr. Scheer ist eine mittelgroße Einzelpraxis in der nordrhein-westfälischen Großstadt Paderborn, pro Quartal werden ca. 1300 PatientInnen behandelt. Dr. Scheer beschäftigt eine Praxismanagerin sowie drei MFAs und einen Arzt in Weiterbildung.

Webseite: www.doc-scheer.de

 

Weitere Informationen zum Impfmanagement mit Idana