Die Welt hat sich gewandelt: Immer schneller entwickeln sich Technologien weiter, tauchen neue Produkte auf dem Markt auf und immer größer sind die Unterschiede zwischen den Standards von gestern und heute. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die diesen technologischen Fortschritt begleiten, sind nicht immer auf den ersten Blick absehbar, machen jedoch einiges an Umdenken erforderlich.
Das gilt besonders für die Medizin, denn: In der modernen Informationsgesellschaft hat sich der Abstand zwischen Ärzten und Patienten verkleinert. Um sich zu informieren, können Symptome gegoogelt, Ursachen und Krankheitsverläufe in Sekundenschnelle auf wikipedia nachgelesen, Spezialisten mit einem Klick ausfindig gemacht werden. Damit verändern sich auch die Bedingungen, unter denen Ärzte und Patienten kommunizieren. Fachsprachliche Diagnosen können im Internet nachgelesen werden, Patienten mit ähnlichen Krankheitsbildern in Gesundheitsforen befragt werden. Das paternalistische Modell und die Vorstellung vom Arzt als ‚Halbgott in Weiß‘ hat ausgedient, eine asymmetrische Kommunikation, die im uneinholbaren Wissensvorsprung des Arztes gründete, ist nicht mehr zeitgemäß.
Damit haben sich die Anforderungen, die Patienten an ihren Arzt stellen, gewandelt. Am wichtigsten ist den Patienten natürlich nach wie vor die fachliche Kompetenz ihres behandelnden Arztes, wie Prof. Dr. Lothar Schäffner gegenüber der Zeitschrift ‚Der Allgemeinarzt‘ erläutert. Auf dem zweiten Platz landet jedoch gleich der Wunsch nach einer respektvollen, partnerschaftlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient, in der der Arzt vor allem ein Begleiter in Gesundheitsdingen ist.
Das korreliert mit einer anderen Entwicklung, die sich als Herausforderung für die moderne Medizin erweist. In westlichen Gesellschaften steigt zusammen mit der Lebenserwartung auch die Zahl chronischer Erkrankungen immer weiter an, die Patienten und ihren Ärzten verstärkt Management-Fähigkeiten abverlangen. Gründliche Aufklärung über Ursachen und Zusammenhänge bildet die Grundvoraussetzung bei der erfolgreichen Therapie chronischer Krankheiten; beim Monitoring von Symptomen und Begleiterscheinungen, seien sie physischer oder psychosozialer Natur, ist die Zusammenarbeit von Arzt und Patient gefragt.
Die steigenden Anforderungen an das Gesundheitssystem ist letztlich auch eine Kostenfrage: Bei begrenzten Ressourcen – und in der Medizin ist Zeit die Ressource Nr. 1 – ist ein effizientes System notwendig, das die vorhandenen Mittel voll ausschöpft: „doing more with less“ (Graffigna/Barello/ Triberti 2015) heißt die Maxime, die auch den participatory turn bestimmt. Denn was leicht als allzu ökonomistische Position missverstanden werden könnte, erzielt – wie das Beispiel der Anamnese zeigt – trotz ihres vergleichsweise geringen Aufwands den besten Erfolg: Indem Patienten zu gemeinschaftlichen Mitarbeitern an der eigenen Gesundheit, zu „coproducers of their health“, wie Graffigna et al. es formulieren, aufgewertet werden, kann ihren gewandelten Ansprüchen Rechnung getragen und die allgemeine Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen verbessert werden, es können Therapieergebnisse gesichert und – ganz nebenbei – Kosten reduziert werden.
Von dem Bewusstsein, dass ein Umdenken hin zu einer partizipativen Medizin stattfinden muss – und von einer sich rasant entwickelnden E-Health-Branche schon mitgetragen und vorbereit wird -, zeugt der Heidelberger E-Health-Tag, der nun in die dritte Runde geht. Veranstaltet von der Digitalagentur TWT Healthcare bietet der E-Health-Tag ein Forum, der nicht nur Branchentreff für Vertreter aus IT, Pharma und Medizintechnik sein, sondern auch Anwender und Forscher zusammenbringen möchte. In einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen soll es darum gehen, wie der Patient mit Hilfe von digitalen Ansätzen miteinbezogen und im Sinne des patient engagement zu einem aktiven Partner in Gesundheitsfragen befördert werden kann.