Das Fernbehandlungsverbot wurde 2018 aufgehoben. Die Anzahl der Ärzte und Psychotherapeuten, die medizinische Fernbehandlungen anbieten, ist seitdem regelrecht „explodiert“. Die Pandemie hatte dabei ebenfalls eine Hand im Spiel. 

Wir erklären Ihnen, welche Potenziale Fernbehandlungen haben und wie Sie diese Ihren Patienten anbieten können.

Was ist eine Fernbehandlung?

Bei einer Fernbehandlung kommen Patienten nicht mehr ins Arztzimmer für die Sprechstunde, sondern erhalten die Beratung und Behandlung telefonisch oder über das Internet. Dabei sind sowohl Chats als auch Videosprechstunden möglich.

Bei der Fernbehandlung muss unterschieden werden, ob Patienten ausschließlich von der Ferne aus behandelt werden, oder ob sie bereits persönlich in der Praxis anwesend waren.

Gemäß § 7 Absatz 4 der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) können Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen Patienten ohne vorherigen persönlichen Kontakt behandeln (weiter unten mehr dazu).

Eine Fernbehandlung hat Limitationen. So können körperliche Untersuchungen oder eine Blutabnahme aus logischen Gründen nicht online durchgeführt werden. Die Fernbehandlung ist aber für eine ganze Reihe an Möglichkeiten geeignet:

  • Krankschreibung und Atteste
  • Ausstellen von Rezepten und Medikamenten
  • Diagnose bei einfachen Krankheitsbildern, wie einer Grippe
  • Diagnose bei akuten Krankheitsbildern, wie einem Ausschlag
  • Folgetermine und Check-ups bei Patienten mit chronischen Beschwerden

Was sind die Vorteile einer Fernbehandlung?

Die Telemedizin in Deutschland bringt Vorteile für beide Parteien, Ärzte wie Patienten, mit sich.

Vorteile für Patienten

  • Zeitersparnis, da Anfahrtswege wegfallen
  • Weniger Wartezeiten
  • Nicht an Öffnungszeiten von Arztpraxen gebunden
  • Patienten mit Bewegungseinschränkung haben es leichter
  • Keine Infektionsgefahr in der Arztpraxis
  • Patienten in ländlichen Gebieten haben besseren Zugang zur Versorgung

Vorteile für Ärzte

  • Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten (kann das Stresslevel senken)
  • Geringere Ansteckungsgefahr
  • Entlastung der Praxis
  • Sprechstunden außerhalb der regulären Praxiszeiten möglich
  • Kostengünstige Implementation 

Die Telemedizin hat insgesamt großes Potenzial für Einsparungen. Laut einer McKinsey Studie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen könnten über 42 Milliarden Euro an Kosten gespart werden.

Was sind die Voraussetzungen einer Fernbehandlung?

Wer Fernbehandlungen ohne vorherigen persönlichen Kontakt mit Patienten durchführen möchte, muss diese Voraussetzungen nach § 7 Absatz 4 MBO-Ä erfüllen:

  • Die Beratung und Behandlung müssen ärztlich vertretbar sein.
  • Die ärztliche Sorgfaltspflicht zur Befunderhebung, Beratung, Behandlung und Dokumentation ist gewahrt.
  • Die Patienten werden zu den Besonderheiten der Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt.

Ob die Beratung und Behandlung ausschließlich per Fernbehandlung erlaubt ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

Andere rechtliche Rahmenbedingungen bleiben unverändert.

Psychotherapeuten können ebenfalls von der Fernbehandlung Gebrauch machen. Allerdings ist für die Diagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung des Patienten nach wie vor die persönliche Sprechstunde vorausgesetzt. Eine ausschließliche Fernbehandlung ist deshalb nicht möglich. Geregelt wird dies im § 5 Absatz 5 MBO.

Welche Vorgaben müssen eingehalten werden?

Die Telemedizin ist in Deutschland an einige Regelungen gebunden. Nachfolgend erklären wir drei Aspekte, die Sie auf jeden Fall beachten sollten.

30 Prozent Obergrenze

Für die Fernbehandlung muss eine Obergrenze berücksichtigt werden. Diese gilt seit 1. April 2022. Zuvor war die Obergrenze aufgrund einer Corona-Sonderregelung aufgehoben. Ärzte können ab jetzt maximal 30 Prozent ihrer Patienten ausschließlich per Video beraten und behandeln. Diese Obergrenze wird pro Quartal berechnet und auf die Gebührenordnungsposition (GOP) bezogen.

Für Psychotherapeuten wird die Obergrenze seit Juli 2022 nicht mehr je einzelner GOP, sondern anhand der Gesamtpunktzahl der GOPs berechnet – Ausnahme bildet die psychotherapeutische Akutbehandlung.

Zertifizierte Videodienstanbieter

Sie können eine Fernbehandlung nicht über Zoom oder Skype durchführen. Nur zertifizierte Videodienstanbieter, die die Voraussetzungen der KBV und des GKV-Spitzenverband entsprechen, dürfen zum Einsatz kommen. 

Diese Videodienste sind Ende zu Ende verschlüsselt und nicht dazu in der Lage, Aufzeichnungen des Videos zu ermöglichen.

Die KBV stellt eine aktuelle Liste der zertifizierten Anbieter zur Verfügung.

Werbung für Fernbehandlungen

Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) wurde Ende 2019 geändert und erlaubt Ärzten nun, unter bestimmten Voraussetzungen für Videosprechstunden zu werben. 

Voraussetzung ist, dass:

  • es sich um Werbung für Fernbehandlungen handelt,
  • Kommunikationsmedien verwendet werden,
  • ein persönlicher ärztlicher Kontakt nicht erforderlich ist.

Da das Gesetz viele Auslegungen offen lässt, sollten Ärzte, die auf der sicheren Seite bleiben wollen, lediglich auf die Möglichkeit einer Videosprechstunde aufmerksam machen.

§ 9 Satz 2 HWG

Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Wie läuft eine Fernbehandlung ab?

Nur wenige Schritte sind notwendig, damit Sie Fernbehandlungen anbieten können.  

Bevor Sie Fernbehandlungen durchführen können, müssen Sie Folgendes tun:

  1. Registrieren Sie sich bei einem zertifizierten Videodienstanbieter.
  2. Melden Sie sich bei Ihrer zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (per Meldeformular).

Stellen Sie sicher, dass eine sichere Internetverbindung und Hardware (Computer, Kamera, Mikrofon, Lautsprecher) zur Verfügung stehen. Außerdem muss eine Einwilligung des Patienten zur Fernbehandlung vorliegen.

Ihre Patienten benötigen ebenfalls eine Internetverbindung und entsprechende Hardware, um an der Sprechstunde teilnehmen zu können.

Sobald Sie sich registriert haben, erhalten Sie vom Videodienstanbieter alle Informationen zum Einwählen in eine Sprechstunde. Patienten können nun einen Termin in Ihrer Praxis vereinbaren oder sich direkt über den Anbieter einen Termin aussuchen. 

Vor der Sprechstunde gibt der Patient seine Einwilligung ab, entweder über den Anbieter oder die Praxis direkt. Dann wählen sich der Arzt und der Patient ein. Sollten Sie noch in einem anderen Termin sein, kann der Patient im Online-Wartezimmer warten, bis die Behandlung starten kann.

Vor allem bei Erstpatienten, die noch nie in Ihrer Praxis waren, lohnen sich weitere digitale Hilfen wie ein Self-Check-in. Dann kann während des Videogesprächs der Fokus auf die wichtigen Dinge gelegt werden.

Wie eine digitale Praxis bei Fernbehandlungen helfen kann

Die Kosten der Telemedizin sind überschaubar. Wer als Arzt Fernbehandlungen anbieten möchte, kann bestehende Hardware nutzen. Internet ist in der Regel ebenfalls bereits in der Praxis vorhanden. Mikrofon und Kamera sind oft im Laptop oder Computer integriert. Einzig die Kosten für einen zertifizierten Videodienstanbieter fallen an.

Theoretisch müssen Sie also kaum Investitionen tätigen, um Fernbehandlungen durchführen zu können. Dennoch ist es ratsam, Ihre Praxis in Sachen Digitalisierung voranzubringen. In der digitalen Praxis werden Patientendaten digital erfasst und gespeichert (elektronische Patientenakte), Rezepte elektronisch ausgestellt und wichtige Formulare digital unterschrieben. 

Allein der administrative Aufwand verringert sich dadurch und spielt der Fernbehandlung in die Karten. 

Genauso relevant sind eine digitale Terminbuchung, die digitale Patientenaufnahme und eine Anamnese, die online durchgeführt werden kann. Das schafft die optimalen Voraussetzungen für den Online-Termin mit Ihren Patienten. 

Wenn Sie Unterstützung beim Patientenmanagement benötigen, sollten Sie einen digitalen Assistenten wie Idana nutzen. Damit entlasten Sie Ihr Praxispersonal und es erlaubt Ihnen, Fernbehandlungen noch professioneller durchzuführen.

Um mehr darüber zu erfahren, wie Sie mit telemedizinischen Tools und einer digitalen Anamnese Ihren Praxisalltag vereinfachen können, lesen Sie auch unser E-Book zum Thema.

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